Künstliche Intelligenz im Controlling

Inhalt

Chancen, Herausforderungen und Anwendungsfelder

Das Controlling steht seit jeher für Zahlen, Daten und Fakten, ein Bereich, der wie geschaffen erscheint für den Einsatz moderner Technologien.
Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich dabei zunehmend zu einem „Game Changer“, ich mag dieses Wort nicht, weil es mittlerweile inflationär verwendet wird, aber gut.

Die KI erweitert hier nicht nur die klassischen Werkzeuge des Controllings, sondern verändert auch grundlegend die Aufgaben, Rollenbilder und Zukunftsperspektiven von Menschen im Controlling.


Doch was genau kann KI im Controlling leisten?
Und wie sieht der praktische Einsatz aus?

Von der Vergangenheitsanalyse zur Zukunftssteuerung

Klassisches Controlling ist stark vergangenheitsorientiert: Monatsabschlüsse, Abweichungsanalysen und Forecasts basieren häufig auf Excel-Logiken, historischen Daten und manuellem Input. KI hingegen versetzt Controllerinnen und Controller in die Lage, große Datenmengen automatisiert zu analysieren, Muster zu erkennen und präzise Prognosen für die Zukunft zu treffen.


Beispiel 1: Predictive Forecasting statt statischer Planung
Ein Handelsunternehmen nutzt KI-basierte Prognosemodelle, um Umsätze für die nächsten Mo-nate vorherzusagen. Die Modelle berücksichtigen nicht nur historische Verkaufszahlen, sondern auch externe Faktoren wie Wetterdaten, Feiertage, Konsumverhalten und Social Media Trends.

Ergebnis:
 Genauere Absatzprognosen
 Optimierter Lagerbestand
 Reduzierte Out-of-Stock-Situationen

Automatisierung von Routinetätigkeiten

Ein wesentlicher Vorteil von KI liegt in der Automatisierung wiederkehrender Aufgaben. Dies betrifft insbesondere Datenaggregation, Reportings und Abweichungsanalysen.

Beispiel 2: KI-generierte Management Reports
Ein KI-System erstellt täglich automatisierte Reports für das Management. Diese enthalten nicht nur die aktuellen Kennzahlen, sondern auch automatisch generierte Kommentare („Natural Language Generation“), die Abweichungen erklären und Handlungsvorschläge ableiten.
Die Controllerinnen und Controller gewinnen dadurch Zeit für strategischere Aufgaben, etwa die Interpretation und Diskussion der Zahlen im Management-Team.

Frühzeitige Risikoerkennung

KI kann Anomalien und Risiken frühzeitig erkennen – lange bevor diese in der klassischen GuV sichtbar werden.

Beispiel 3: Anomalie Erkennung in Echtzeit
Ein Produktionsunternehmen setzt KI ein, um in Echtzeit Buchungsdaten und Zahlungsströme zu analysieren. Die KI erkennt ungewöhnliche Abweichungen im Zahlungsverhalten bestimmter Kunden, was auf Liquiditätsprobleme hinweist. Das Unternehmen kann frühzeitig reagieren, etwa durch individuelle Zahlungsvereinbarungen oder Bonitätsprüfungen.

Self-Service & Demokratisierung von Daten

Moderne KI-Anwendungen ermöglichen es auch Nicht-Controllerinnen, eigenständig auf relevante Daten zuzugreifen, Dashboards zu analysieren und Prognosen zu erstellen, etwa im Vertrieb oder Marketing. Das Controlling entwickelt sich damit zur Service- und Beratungsinstanz.

Beispiel 4: KI-gestützte Dashboards für Vertriebsmitarbeiter
Ein KI-gestütztes BI-Tool zeigt dem Vertrieb tagesaktuell die Kunden mit der höchsten Cross-Selling-Wahrscheinlichkeit – basierend auf vergangenen Käufen, Produktinteressen und Vergleichsgruppen. Das Controlling stellt die Plattform bereit, der Vertrieb nutzt sie operativ.

Herausforderungen und Grenzen

Trotz aller Potenziale ist der Weg zu einem KI-unterstützten Controlling nicht ohne Hürden:
Datenqualität und -verfügbarkeit: „Garbage in garbage out“.
Ohne strukturierte, vollständige und saubere Datenbasis ist auch die beste KI wirkungslos.

Akzeptanz und Know-how

Der Mensch bleibt zentral. Controller müssen KI verstehen, interpretieren und hinterfragen können, sonst wird aus Unterstützung schnell ein Risiko.
Ethik und Transparenz: KI-Modelle müssen erklärbar sein, besonders bei finanzrelevanten Entscheidungen.
Blackbox-Modelle sind im Controlling nur begrenzt akzeptabel.

Controllerinnen als Architekten der Datenintelligenz

KI verändert das Controlling nicht, indem sie es ersetzt, sondern indem sie es bereichert. Aus Zahlenverwaltern werden Datenstrateginnen.
Aus Reportings entstehen Entscheidungshilfen. Und aus der reinen Kostenkontrolle wird eine wertschöpfende Steuerung von Zukunftschancen und Risiken.
Wer als Controllerin frühzeitig Kompetenzen in den Bereichen Data Science, KI-Verständnis und strategische Unternehmenssteuerung aufbaut, wird in der digitalen Transformation eine Schlüsselrolle einnehmen, nicht als Erfüllungsgehilfe, sondern als Mitgestalter der Unternehmenszukunft.

Konkrete Anwendungsbeispiele

Predictive Forecasting in der Absatzplanung
Unternehmen: Internationaler Online-Händler
Modell: Kombination aus Random Forest Regression und Zeitreihenanalyse (ARIMA)
Einsatz: Ziel war die Verbesserung der Absatzprognose für bestimmte Warengruppen. Die Random Forest Methode ermöglicht das Erkennen komplexer Zusammenhänge zwischen verschiedenen Einflussfaktoren.
Die ARIMA-Analyse bringt zeitliche Dynamiken ein.

Datenbasis:
 Historische Verkaufszahlen über drei Jahre
 Google Trends zur Abschätzung von Nachfragetrends
 Wetterdaten und Ferienkalender zur Saisonbereinigung
 Social Media Metriken (Likes, Shares, Produktkommentare)
Ergebnis:
 Die Prognosegüte stieg von einem Erklärungsgrad (R^2) von 0,65 auf 0,89.
 Die Lagerhaltung konnte um 17 % reduziert werden, was Kapital bindet und Lagerkosten senkt.
 Durch genauere Prognosen wurden Fehlbestände (Out-of-Stock) um 23 % verringert.

Anomalie Erkennung im Zahlungsverkehr
Unternehmen: Mittelständischer Maschinenbauer
Modell: Autoencoder (Deep Learning Architektur) zur Mustererkennung
Einsatz: Der Autoencoder lernt aus „normalen“ Buchungsdaten, wie typische Transaktionen aus-sehen.
Sobald eine Abweichung vom Normalmuster auftritt (zB auffällig verzögerte Zahlungseingänge), wird eine Anomalie erkannt.

Datenbasis:
 Historische Zahlungsverläufe
 Kundentypen und Zuordnung zu Risikoklassen
 Zahlungsbedingungen, Fälligkeiten, Skonti etc.
Ergebnis:
 In 8 von 10 Fällen konnte ein drohender Zahlungsausfall 2 Wochen vor Eintritt erkannt werden.
 Die Reaktion erfolgte durch Kontaktaufnahme, individuelle Zahlungsmodelle oder Kre-ditabsicherung.
 Die Genauigkeit der kurzfristigen Liquiditätsplanung stieg um 15 %.


Automatisierte Kommentierung von Monatsberichten
Unternehmen: Energieversorger mit mehreren Beteiligungen
Modell: Natural Language Generation (NLG) über ein GPT-gestütztes System
Einsatz: Statt manuell Kommentare zu verfassen, generiert die KI automatisch Erklärungstexte zu auffälligen Abweichungen.

Datenbasis:
 Budget-/Ist-Vergleiche
 Vorjahreswerte
 Kostenstellenberichte mit Abweichungsgrößen
Ergebnis:
 Monatlich wurden 15 standardisierte Berichte automatisiert erstellt.
 Analystinnen konnten sich auf die Interpretation konzentrieren, statt auf die Dokumenta-tion.
 Es wurden ca. 40 Arbeitsstunden monatlich eingespart.
 Die einheitliche Formulierung erhöhte die Nachvollziehbarkeit für Fachbereiche und Management.

KI-gestützte Preisoptimierung
Unternehmen: Elektronikhändler mit Online- und Filialvertrieb
Modell: Kombination aus Reinforcement Learning (Q-Learning) und Preiselastizitätsmodell
Einsatz: Ziel war die dynamische Preissteuerung von 1.200 Produkten unter Berücksichtigung von Margenzielen, Wettbewerberverhalten und Kundenreaktionen.

Datenbasis:
 Verkaufsdaten auf Tagesbasis
 Online-Preise von Wettbewerbern (Webscraping)
 Historische Rabattaktionen
 Kundenkategorien (Preissensitivität)
Ergebnis:
 Der Rohertrag stieg um 6,2 %.
 Gleichzeitig wurde der Umsatz durch gezielte Preisimpulse gesteigert.
 Preise wurden dynamisch angepasst nach Region, Kanal (online/offline) und Wochentag.


Personalkosten-Controlling durch KI
Unternehmen: Logistikdienstleister mit 24/7-Betrieb
Modell: Künstliches neuronales Netz (Feedforward-Netz) zur Schichtplanung und Kostenprognose
Einsatz: Die KI sollte helfen, Personalbedarf vorausschauend zu planen, Unter- und Überbesetzungen zu vermeiden und Personalkosten zu steuern.

Datenbasis:
 Historische Schichtpläne
 Krankenstandsdaten
 Tägliche Auftragseingänge
 Durchschnittliche Bearbeitungszeiten pro Auftrag
Ergebnis:
 Die Personalplanung wurde um 21 % genauer.
 Überstundenkosten konnten um 13 % reduziert werden.
 Durch gleichmäßigere Auslastung wurde die Mitarbeiterzufriedenheit nach interner Be-fragung gesteigert.

Diese Praxisbeispiele verdeutlichen, wie KI dem Controlling messbare Vorteile bringt: Präzisere Prognosen, schnellere Reaktionen, geringere Kosten und strategischere Steuerung. Die Voraussetzung bleibt: Datenqualität, Modelltransparenz und menschliche Interpretation müssen zusammenspielen.

Paul Slamanig
Wirtschaftsberater – Executive Advisor

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